Willingen-Chef Jürgen Hensel: „Der Weltcup ist Kult“

Jürgen Hensel ist als Präsident des Skiclubs Willingen verantwortlich für den Weltcup im Hochsauerland. Foto: skispringen.com / SC Willingen

Im Interview bei skispringen.com spricht Jürgen Hensel, Chef des Organisationskomitees beim Weltcup im nordhessischen Willingen, über die besondere Situation unmittelbar nach der Vierschanzentournee und die Konkurrenz.

Jürgen Hensel ist als Präsident des Ski-Clubs Willingen und Chef des Organisationskomitees verantwortlich für das Weltcup-Skispringen in Willingen. Im Interview mit skispringen.com-Chefredakteur Marco Ries spricht Hensel über die besonderen Chancen und Herausforderungen beim Weltcup-Skispringen direkt nach der Vierschanzentournee sowie die nationale und internationale Konkurrenzsituation.

Zum dritten Mal nach 1995 und 2005 findet der Weltcup in Willingen in dieser Saison direkt nach der Vierschanzentournee statt, zuvor war Willingen später im Kalender platziert. Sind Sie zufrieden mit dem neuen Termin?

Jürgen Hensel: Der Termin ist gut für den Ski-Club Willingen, weil wir eingebettet sind in die Vierschanzentournee und die Skiflug-WM. Der Doppel-Weltcup auf der Mühlenkopfschanze als größte Großschanze der Welt ist damit gleichzeitig Revanche für die Tournee und als Genrealprobe das Einfliegen für die große Flug-Show am Kulm in Bad Mitterndorf. Mehr Aufmerksamkeit in den Medien geht nicht. Klar, wir haben weniger Zeit, um den Schnee für die Schanze zu produzieren, aber wir bekommen das hin.

Könnte der Zuschauerzuspruch aufgrund der zeitlichen Nähe zur Tournee größer ausfallen?

Hensel: Auf jeden Fall, umso mehr wenn nach all den Jahren österreichischer Dominanz endlich ein deutscher „Adler“ um den Sieg bei der Tournee mitspringt. Wenn Severin Freund die Tournee gewinnt, haben wir in Willingen 5.000 Weltcup-Besucher mehr an der Tageskasse. So einfach ist das. Wenn es so einfach wäre. Wir drücken den Jungs von Bundestrainer Werner Schuster also auch in unserem eigenen Interesse bei der Vierschanzentournee die Daumen.

Erfolge der deutschen Skispringer sind beste Werbung für den Weltcup in Willingen. Haben Sie besondere Hoffnung nach dem guten Saisonstart?

Hensel: Das deutsche Team ist sehr gut in die neue Saison gestartet. Das Team hat in Klingenthal zum Auftakt mit dem Sieg gleich ein dickes Ausrufezeichen gesetzt. Severin Freund, Richard Freitag und Andreas Wellinger sind in einer prima Form, sie können jederzeit aufs Podium springen oder auch gewinnen. Severin hat das ja schon wieder eindrucksvoll bewiesen. Er ist Gold wert fürs Skispringen aus deutscher Sicht. Was der Top-Springer des DSV zeigt, ist mehr als beindruckend. Wir freuen uns auch sehr über Stephan Leyhe vom Ski-Club Willingen, der in drei Konkurrenzen schon zweimal in den Weltcup-Punkten war. Stephan macht seinen Weg. Das löst bei uns im Verein und in der ganzen Umgebung eine große Euphorie aus. Endlich wieder einer aus den eigenen Reihen beim Heimweltcup am Start. Das ist fantastisch.

Zuletzt sind einige Veranstalter in die Kritik geraten. Wie bewerten Sie die Ereignisse in Kuusamo und Lillehammer?

Hensel: Es steht mir nicht zu, die Arbeit der internationalen Kollegen zu bewerten. Das ist aus der Entfernung auch gar nicht möglich. In Klingenthal war das anders, da waren wir vor Ort und konnten morgens ab halb sechs kräftig mit anpacken, um unseren Freunden vom VSC beim Schneeschippen tatkräftig zu helfen bei den Problemen an der Schanze. Auch so etwas schweißt zusammen. Am Ende muss jeder sein eigenes Ding machen, wie Sven Hannawald sagen würde. Unter dem Strich wird man immer am Ergebnis gemessen, die Umstände sind schnell vergessen. Ich denke, jeder gibt sein Bestes. Das Glück des Tüchtigen muss man sich auch erarbeiten. Jeder Weltcup ist anders, immer wieder warten neue Herausforderungen auf uns. Wir haben rund 1300 „Free Willis“, wie unsere ehrenamtlichen Helfer genannt werden. Auf die kann ich mich zu einhundert Prozent verlassen.

Die internationale Konkurrenz im Terminkalender der Skispringer wird immer größer. Wie wirkt sich das aus?

Hensel: Als Weltcup-Veranstalter müssen wir einen Top-Event in allen Bereichen abliefern, das ist auch unser eigener Anspruch. Trotzdem bleibt es schwierig, alles stets optimal zu koordinieren. Skispringen ist ein Freiluftsport, da wollen auch die Natur und der Wettergott rund um die Uhr ein Wörtchen mitreden. Es gibt immer neue Überraschungen, auf die wir schnell reagieren müssen. Schneit es beispielsweise vor dem Wettkampf, dann müssen wir schon in der Nacht mit ordentlich Man-Power loslegen. Es gibt bei den Veranstaltungsorten durch den Olympia-Zyklus von vier Jahren immer wieder neue Weltcup-Veranstalter. Doch seit 2002 sind alle Veranstalter Olympischer Winterspiele wieder aus dem Skisprung-Weltcupkalender verschwunden. Ich bin sehr stolz, dass Willingen seit mehr als 20 Jahren fest dazu gehört.

International ist die Konkurrenz groß, aber auch national in Deutschland gibt es zahlreiche bewährte Veranstalter. Wie groß ist die Konkurrenz, wie groß die Zusammenarbeit?

Hensel: Ich spreche da nicht von Konkurrenz, wir sind Mitbewerber und unterstützen uns in Deutschland gegenseitig. Bei Fragen und Problemen nehmen wir untereinander Kontakt auf und helfen uns weiter. Da ist schon eine große Verbundenheit gewachsen über all die Jahre mit Oberstdorf, Garmisch-Partenkirchen, Klingenthal und Titisee-Neustadt. Gerade durch die FIS-Team-Tour mit Oberstdorf und Klingenthal sind wir eng zusammengewachsen, weil es unsere gemeinsame Skisprung- und Skiflug-Woche ist. Da kommt Vorfreude auf 2017 auf, wenn die FIS-Team-Tour wieder im Weltcup-Kalender sein wird. Jeder freut sich für den anderen, wenn es gut gelaufen ist. Schließlich profitieren wir alle vom gesamten Erfolg, wenn Skispringen in Deutschland ankommt. Wir gratulieren den Kollegen auch immer, wenn alles gut funktioniert hat. Und das passiert auch umgekehrt, wenn wir unseren Weltcup erfolgreich durchgeführt haben. Die gegenseitigen Besuche der deutschen Veranstalter bei den Weltcups sind schon zu einer guten Tradition geworden. Und für jede Delegation ist so eine Skisprungreise innerhalb Deutschlands stets ein Highlight.

Abschließend: Warum sollte man den Weltcup in Willingen auf keinen Fall verpassen?

Hensel: Der Weltcup in Willingen ist Kult, das bestätigen alle: Skispringer, Trainer, Betreuer, Offizielle von FIS und DSV, die Medien und natürlich die vielen Skisprung-Fans bei uns. Die Eröffnungsfeier mit Vorstellung der Springer aus allen Nationen mit Höhenfeuerwerk und Live-Auftritt der deutschen Erfolgs-Band Glasperlenspiel wird ein großes Erlebnis sein. Dazu Weltklasse-Sport auf der Mühlenkopfschanze mit Team- und Einzel-Weltcup. Deutsche „Adler“, die tolle Leistungen zeigen und ganz sympathische und bodenständige Athleten sind, da kribbelt es bei mir jetzt schon wieder. Und in Willingen präsentiert sich erstmals der neue „König der Lüfte“ – der Sieger der Vierschanzentournee 2015/2016. Ich würde mich sehr freuen, wenn ich hier vor Ort vor unserem Weltcup-Wochenende einem unserer deutschen Jungs dazu recht herzlich gratulieren könnte.

Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg beim Weltcup 2016!

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Über Marco Ries 867 Artikel
Inhaber und Chefredakteur von skispringen.com. Hat sich nach der Jahrtausendwende am Skisprungfieber anstecken lassen und 2009 dieses Angebot gegründet. Studiert an der Universität Heidelberg und arbeitet nicht nur im Winter als freier Journalist und Autor (u.a. das Buch „Unnützes Skisprungwissen“).

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