Innsbruck: Tande gewinnt Windlotterie

Daniel-André Tande entscheidet einen denkwürdigen Wettkampf am Bergisel in Innsbruck für sich. Doch zahlreiche Top-Athelten sind chancenlos: Kraft und Eisenbichler fallen in der Tournee-Gesamtwertung weit zurück. Leyhe wird bester Deutscher.

Es war wahrlich kein einfacher Skisprungtag am berühmten Bergisel in Innsbruck. Bei der dritten Station der 65. Vierschanzentournee nehmen die äußeren Bedingungen eine entscheidende Rolle ein, der Kampf um die Tournee-Gesamtwertung wird wegen des Windes womöglich vorentschieden – und die glücklichen Gewinner der Windlotterie sind die Norweger.

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Mit einem Sprung auf 128,5 Meter erzielte Daniel-André Tande am Mittwochnachmittag insgesamt 125,7 Punkte und setzte sich damit gegen seinen Teamkollegen Robert Johansson durch, der mit 133 Metern (123,1 P.) Zweiter wurde und damit ebenso wie der drittplatzierte Russe Evgeniy Klimov (127 m; 119,1 P.) erstmals in seiner Karriere auf dem Podium landete.





Die Jury hat sich dazu entschieden, keinen Finaldurchgang durchzuführen – zum einen wehte der Wind weiterhin zu stark und zu wechselhaft, zum anderen ist die Bergiselschanze oberhalb von Innsbruck nicht mit einer Flutlichtanlage ausgestattet.

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„Das ist ein Witz“, lautete Simon Ammanns knapper Kommentar zur Windlotterie. Der Schweizer äußerte nicht nur Fairness- sondern auch Sicherheitsbedenken. Zuvor waren Kamil Stoch aus Polen im Probedurchgang und der Österreicher Florian Altenburger im ersten Durchgang gestürzt – jedoch erst nach der Landung und damit offensichtlich unbeeinflusst von den Windbedingungen. Stefan Huber aus der nationalen Gruppe der österreichischen Gastgeber ist gar nicht erst gesprungen: Sein Trainer Florian Liegl hat seinen Athleten aus Sicherheitsbedenken wieder vom Balken gewunken, obwohl die Jury eine Startfreigabe erteilt hatte.

Eisenbichler nur 29., Leyhe bester Deutscher

Markus Eisenbichler, aussichtsreichster Deutscher in der Tournee-Gesamtwertung, setzte bei schwierigen Bedingungen bereits nach 112 Metern zur Landung an und wurde damit nur 29. Überhaupt war es kein guter Tag für die deutschen Skispringer: Stephan Leyhe wurde als bester Deutscher Elfter, neben ihm hätten auch Andreas Wellinger (13.), Karl Geiger (15.) und Richard Freitag (28.) einen zweiten Durchgang gesehen. „Die Leistungen habe ich gut gesehen, die Ergebnisse aber nicht“, bilanzierte Bundestrainer Werner Schuster.

Magen-Darm-Virus: Österreichs Skispringer in Sorge

Schon im Vorfeld des Wettbewerbs machte es die Runde, dass speziell die österreichische Mannschaft gesundheitlich angeschlagen ist. Ebenso wie Severin Freund, der die Vierschanzentournee vorzeitig beendet hat, verzichtete auch Michael Hayböck wegen eines Magen-Darm-Infektes auf die Teilnahme am Bergisel. Sein Zimmerkollege Stefan Kraft, vor dem Wettbewerb nur hauchdünn in der Tournee-Gesamtwertung an zweiter Position gelegen, kam ebenso gesundheitlich angeschlagen nicht über 115 Meter und einen 18. Platz hinaus – seinen Traum vom zweiten Gewinn der Vierschanzentournee wird er sich nun kaum noch erfüllen können.

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Besser erwischte es Kamil Stoch: Der polnische Doppel-Olympiasieger ging zwar bei vergleichsweise schlechten Bedingungen vom Bakken, segelte aber auf dennoch gute 120,5 Meter und landete mit einem Rückstand von 1,7 Zählern hinter dem Podium auf dem vierten Platz. Mit Maciej Kot als Sechster und Piotr Zyla als Siebter schafften es zwei weitere Athleten aus der starken Mannschaft von Stefan Horngacher unter die Top Ten.





Der Norweger Andreas Stjernen belegte den fünften Platz, Manuel Fettner wurde als bester Österreicher auf seiner Heimschanze Siebter. Zu den Profiteuren der wechselhaften Bedingungen gehörten auch Sebastian Colloredo aus Italien (9.) und Japans Oldie Noriaki Kasai (10.).

Tande übernimmt Tournee- und Weltcup-Führung

In der Gesamtwertung liegt Daniel-André Tande mit insgesamt 710,3 Punkten nun in Führung, 1,7 Punkte hinter ihm lauert Kamil Stoch (708,6 P.). Stefan Kraft (693,7 P.) ist auf den dritten Platz zurück gefallen. Markus Eisenbichler ist als bester Deutscher nach drei von vier Tournee-Wettbewerben nur noch Sechster.

» Aktuelle Vierschanzentournee-Gesamtwertung

Auch in der Weltcup-Gesamtwertung kommt es zu einem Führungswechsel: Daniel-André Tande (632 P.) verdrängt Domen Prevc (596 P.) von der Spitze, Kamil Stoch (533 P.) ist Dritter.

» Event-Übersicht: Programm und Informationen zu Innsbruck

Noch heute Abend reisen die Skispringer weiter ins rund 220 Kilometer entfernte Bischofshofen. Auf der Paul-Außerleitner-Schanze stehen schon morgen das offizielle Training und die Qualifikation für das Finale der Vierschanzentournee in Bischofshofen statt: Ab 14:45 Uhr starten die beiden Trainingsdurchgänge, um 16:45 Uhr (alles live bei skispringen.com) folgt die Qualifikation.

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Über Marco Ries 867 Artikel
Inhaber und Chefredakteur von skispringen.com. Hat sich nach der Jahrtausendwende am Skisprungfieber anstecken lassen und 2009 dieses Angebot gegründet. Studiert an der Universität Heidelberg und arbeitet nicht nur im Winter als freier Journalist und Autor (u.a. das Buch „Unnützes Skisprungwissen“).

10 Kommentare

  1. Leider eine Sportart ohne Zukunft… die Bedingungen werden nie für alle Athleten identisch sein – auch die skalierenden Windpunkte/-abzüge genügen nicht aus, um faire Verhältnisse zu schaffen. Wie auch immer, ich hoffe, dass Stoch die Tournee gewinnt, da er konstant vorne mit springt!

    • Die bisherigen Wettkämpfe waren ziemlich fair, klar, dass das nicht ewig so weitergeht. Ein bisschen Glück gehört immer dazu. Damit muss man sich abfinden.

    • Da die Bedingungen für die Athleten nie identisch sein werden, sollte der Gewinner des Weltcup jedes Jahr automatisch Weltmeister werden, so wie es in der Formel 1 ist. Bei dem Gewinner des Weltcup gibt es keinen Zweifel, dass er der beste im ganzen Winter war. Dieses System würde auch die einzelnen Springen (Grand Prix?) aufwerten.

      • Jo, owa es wärn holt Wöltmeistaschoften okoltn, dos is holt so. Is jo a bessa sou, wal sou kennan a dei leit wos reissn wos sunst nua im mittlföld umanond hupfn.
        Owa host schou recht, di Kugl sog vü mear os ols a wöltmeistatitl. wol do is guata wind net gnua.

        Krafti, hau di owi in Bischofshoufn! Do get no wos!

  2. Der letzte (und einzige?) Boykott ist, zum Glück, sehr lange her, aber damals waren es auch gefährliche Windbedingungen versus Fernseheinnahmen. Aber eine klassische „Führungsriege“ innerhalb des Springerlagers wie damals (Widhölzl, Schmitt, Ahonen) gibt es zur Zeit nicht. Zum Glück wurde sie in den letzten Jahren (windtechnisch) ja auch nicht gebraucht.

    Gibt es eigentlich einen Athletensprecher, wie in anderen Sportarten?

      • Danke für die Weiterbildung 😀

        Na der hatte heute wahrlich keine Energie für Auseinandersetzungen mit der Rennleitung. Habe selten jemand so schlapp auf dem Balken sitzen gesehen. Ich hoffe, es stecken sich nicht noch mehr Springer an…

  3. Eine Frechheit der Jury-Mitglieder, das Springen stattfinden zu lassen bei dieser Windlotterie. Krafts Chance auf den Gewinn ist somit so gut wie weg. FRECHHEIT!!! Wieso haben die anderen Springer nicht auch boykottiert, dann hätten SIe es ausfallen lassen müssen.

      • Ja darum hat er auch nicht seinen besten Sprung gezeigt.
        Er hatte viel Rückenwind am Vorbau und bessere Verhältnisse im unteren Bereich. Dadurch hat er direkt nach dem Absprung viel an Höhe verloren. Da er aber von Grund auf nicht soviel Höhe mitnimmt, war seine Flugkurve dadurch viel zu flach.
        Er hätte dem entgegen wirken und den Sprung steiler anstellen müssen. Andererseits wusste er über die momentanen Bedingungen wohl kaum Bescheid und war zudem nicht ganz gesund.

        Fair war es auf keinen Fall, aber Tande hat verdient gewonnen

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