Tops & Flops

Erkenntnisse des Weltcup-Auftakts in Wisla

Foto: Grzegorz Granica

Mit dem Weltcup-Auftakt in Wisla sind die Skispringer in eine lange Wintersaison gestartet. Doch welche Rückschlüsse können nach dem Auftakt gezogen werden? skispringen.com blickt auf die Tops und Flops des ersten Wochenendes zurück.

Deutschland – solider Start mit Potential für ganz oben

Den ersten Team-Wettbewerb der neuen Saison hatte sich die DSV-Mannschaft sicherlich anders vorgestellt, als diesen chancenlos auf Rang vier hinter den Konkurrenten aus Norwegen, Österreich und Polen zu beenden. Trotz guter Sprünge fehlte doch das Quäntchen Glück und kleine Patzer wurden dem Team von der Konkurrenz nicht verziehen. „Wir sind nicht gut hinein gestartet. Danach war das Momentum nicht mehr auf unserer Seite. Die zehn Punkte, die wir mit der verunglückten Landung von Markus Eisenbichler verloren haben, konnten wir nicht mehr aufholen“, lautete das Urteil von Bundestrainer Werner Schuster nach dem Springen.

Nichtsdestotrotz verspricht die über das Wochenende hinweg geschlossen stabile Mannschaftsleistung der Deutschen, die hier mit Andreas Wellinger, Richard Freitag, Markus Eisenbichler, Stephan Leyhe, Karl Geiger, David Siegel und Pius Paschke vertreten waren, gute Chancen für die lange Saison. Waren zu Beginn des Wochenendes noch alle Augen auf Andreas Wellinger gerichtet, der im vergangenen Jahr in Lahti die Silbermedaille im Einzel geholt hatte und auch hier eine solide Leistung bringen konnte, überzeugte zum Weltcup-Auftakt vor allem Richard Freitag. Sowohl die Tagesbestweite im Teamspringen, als auch seine Halbzeitführung am Sonntag zeigen, dass mit Freitag zu rechnen ist. Auch wenn der Sachse durch schlechte Windverhältnisse letztendlich nur auf Rang vier landete, lobte der Bundestrainer die Leistung von Freitag: „Das war ein super Auftakt für ihn. Jetzt hat er gute Chancen, wieder an seine alte Form anzuknüpfen. Dann ist er brandgefährlich“, so Schuster gegenüber dem ‚ZDF‘.

» Kobayashi überrascht beim Weltcup-Auftakt in Wisla

Ob die Saison 2017/2018 endlich die ersehnten Erfolge für Freitag bringt, wird sich zeigen. Sicher ist auf jeden Fall, dass Deutschland trotz des frühen Saison-Aus‘ für Severin Freund im Laufe des Winters sowohl bei der Heim-Skiflug-WM in Oberstdorf wie auch bei Olympia echte Chancen auf Edelmetall im Einzel und Team hat.

Österreich mit durchwachsenem Start

Überzeugen wollen auch die Österreicher, bei denen in den letzten zwei Wintern ein Generationenwechsel zu verzeichnen ist. Der amtierende Gesamtweltcup-Sieger Stefan Kraft freute sich mit Platz drei in der Einzelkonkurrenz und Platz zwei im Team über den „grandiosen Start“. Die Leistungen seiner Teamkollegen lassen aber noch Fragen offen: Auch wenn Rang zwei in der Mannschaftskonkurrenz auf das Potential der Mannschaft verweist, scheint noch keine genaue Aussage über die diesjährige Stärke der Österreicher möglich. Positiv zu erwähnen ist der sechste Platz des Newcomers Daniel Huber.

Noch Sorgen macht aber Michael Hayböck, der nicht über einen 30. Platz hinausgekommen ist. Nicht vergessen werden darf hierbei, dass der 26-Jährige noch an den Folgen seiner Knöchelverletzung zu leiden hat, die er sich beim Trainingscamp der Mannschaft auf Zypern im Oktober zugezogen hatte.

» News und Informationen zu ÖSV-Skisprungstar Gregor Schlierenzauer

Aufschluss über die tatsächliche Form der Mannschaft, die hier in einer jungen Besetzung angetreten ist, werden aber erst die kommenden Wettkämpfe geben. Nach skispringen.com-Informationen will auch Gregor Schlierenzauer, der momentan noch mit einer Verletzung im rechten Knie zu kämpfen hat, wieder in das Wettkampfgeschehen einsteigen und an seine Erfolge aus der Ära der österreichischen Superadler anknüpfen.

Norwegen trotz Verletzungsschock stark

Verletzungsgeplagt musste auch Norwegen in den Winter starten. Die Diagnose vom vierten Kreuzbandriss und Saisonaus für Kenneth Gangnes hat die Mannschaft im Vorfeld schwer getroffen. Umso größer war die Freude über den Sieg im Team-Wettkampf am Samstag, in dem sich Johann Andre Forfang, Anders Fannemel, Daniel-André Tande und Robert Johansson mit einer Aufholjagd im zweiten Durchgang souverän gegen die Konkurrenz durchsetzen konnten. Auch wenn die Ergebnisse im Einzel nicht mehr ganz so überzeugten und nur Daniel-André Tande mit Platz fünf unter den Top-Ten landete, kann Cheftrainer Alexander Stöckl mit der Leistung seiner Mannschaft zufrieden sein.

Team Polen überzeugt mit mannschaftlicher Stärke

Lange waren sie nur für ihre guten Leistungen im Sommer bekannt. Spätestens mit dem Gewinn der Nationenwertung und Team-Gold bei der WM im finnischen Lahti konnte die polnische Mannschaft letztes Jahr jedoch beweisen, dass sie auch im Winter ordentlich mitmischen kann.

Und auch der Einstieg in die neue Saison lässt wieder viel erwarten: Platz zwei am Samstag im Team-Wettbewerb ex aequo mit Österreich und vier Springer in den Top-Ten in der Einzelkonkurrenz zeigen, dass mannschaftlich wieder mit dem Team von Stefan Horngacher zu rechnen ist. Auch wenn Dawid Kubacki, Sieger des diesjährigen Sommer-Grand-Prix, in der Einzelkonkurrenz am Sonntag noch leicht mit seinen Nerven zu kämpfen hatte und von Platz vier auf zehn fiel, verteidigte dafür Kamil Stoch seine Stellung als Nummer 1 im Team. Der Doppel-Olympiasieger von Sotschi lief unter den Augen seiner polnischen Landesgenossen wieder zu Höchstleistungen auf: Von Rang acht nach dem ersten Durchgang sprang er mit einem souveränen Satz auf den zweiten Platz und unterstrich damit, dass er bereit ist, sein Edelmetall von 2014 zu verteidigen.

Junshiro Kobayashi – Neuer Favorit aus Japan?

Dass Noriaki Kasai wieder im Skisprunggeschehen dabei sein würde, war zu erwarten. Schließlich will der mittlerweile 45-Jährige Oldie mindestens noch bis zu den nächsten Olympischen Spielen im Skisprungzirkus mitmischen. Daran wird ihn auch nicht sein Ausscheiden in der Einzelkonkurrenz hindern, nachdem er am Samstag im Team den zusammen mit Richard Freitag die Bestweite schaffte.

Die größte Überraschung des Weltcup-Auftakts lieferte jedoch sein Teamkollege Junshiro Kobayashi. Bisher kaum bekannt und im Winter noch nie in den Top Ten, konnte der einstige Junioren-Weltmeister der Nordischen Kombination gleich zum Saisonauftakt seinen ersten Weltcup-Sieg feiern. Zwar präsentierte sich Kobayashi schon beim zurückliegenden Sommer-Grand-Prix als Gesamtdritter stark – mit einem Sieg beim Auftakt hat der 26-Jährige aber freilich nicht gerechnet. Das zeigt auch seine Reaktion auf der anschließenden Pressekonferenz: Mehr als ein „ich bin überglücklich“ war dem Japaner nicht zu entlocken. Ob es bei einem Einzelerfolg bleibt oder ob mit Kobayashi ein neuer Springer auf die Favoritenliste zu setzen ist, werden die kommenden Wettkämpfe zeigen. Spannung ist vorprogrammiert. 

Amman und Slowenien – ein misslungener Start

Vierfach-Olympiasieger Simon Ammann hatte sich den Auftakt in den Winter sicherlich anders vorgestellt. Obwohl sich der Schweizer nach dem vergangenen Winter kaum eine Pause gegönnt hat, stimmt vieles noch nicht: Nicht nur mit seinem leidigen Problem der korrekten Landung hat der mittlerweile 36-Jährige weiterhin zu kämpfen. Auch mehr Weitenmeter braucht der Schweizer, der am Sonntag als 34. nicht einmal das Finale erreichte. Eigentlich wäre die Zeit für neue Erfolge gekommen: Zwischen seinen doppelten Olympiasiegen aus den Jahren 2002 und 2010 lagen acht Jahre. Dass er in Pyeongchang 2018 seine nächsten Goldmedaillen abräumen kann, scheint nach dem Wisla-Wochenende äußerst unwahrscheinlich.

Viel Arbeit liegt auch noch vor der slowenischen Mannschaft. Während Peter Prevc nach seiner grandiosen Saison 2015/2016 weiterhin seine Form sucht und im Einzel als bester Slowene nur 20. wurde, war sein 18-jähriger Bruder Domen für den Welcup-Auftakt noch nicht einmal nominiert worden. Der Newcomer des letzten Jahres, der mit aggressiven Sprüngen auf sich aufmerksam machte und zu Beginn des vergangenen Winters mehrere Siege feiern konnte, kämpft momentan noch mit seiner Form und soll erst später in den Weltcup einsteigen.

Viel Kritik am Aufsprunghang

Für reichlich Kritik sorgte an diesem Wochenende die Schanzenpräparierung. Gleich mehrere Athleten hatten mit dem eisigen Aufsprunghang und Auslauf ihre Probleme – und so blicken wir auch auf ein Wochenende vieler Stürze zurück: Am Freitag erwischte es Vojtech Stursa, am Samstag den Russen Denis Kornilov und am Sonntag schließlich Daiki Ito aus Japan.

» Vojtech Stursa: Deutliche Worte nach Sturz in Wisla

Sie alle hatten Glück im Unglück, blieben fast unverletzt. Und dennoch nutzte der Tscheche Stursa die Gelegenheit, die Ausrichtung eines Wettbewerbs in Mitteleuropa zu dieser Jahreszeit zu hinterfragen. „An erster Stelle sollte die Sicherheit stehen und nicht das Geld“, polterte der 22-Jährige.

» Alle Termine im Überblick: Weltcup-Kalender 2017/2018 (Herren)

Nun zieht der Weltcup-Tross dorthin, wo Vojtech Stursa den Weltcup-Auftakt wohl lieber gesehen hätte: Kuusamo, im Norden Finnlands unweit des Polarkreises, wird den Skispringern zum Team- und Einzel-Wettbewerb winterliche Verhältnisse bescheren.

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Über Anna Baumgartner 11 Artikel
Seit 2011 im Team von skispringen.com. Mit familiären Wurzeln in Polen und der Schweiz skisprungbegeistert seit eh und je. Neben ihrer journalistischen Tätigkeit für das Skispringen arbeitet sie an ihrer Promotion und ist schreibend und organisierend im Kunst- und Kulturbereich unterwegs.

4 Kommentare

  1. Meiner Meinung nach kann man die alleinige Schuld für die vielen Stürze nicht nur dem Aufsprunghang zuschreiben.
    Die Stürze passierten in Folge von Landefehlern, indem die Ski bei der Landung verkantet wurden. Das Verkanten hatte zur Folge, dass der Bindungsstab sich gelöst hat und die Fahrsicherheit zwischen Ski und Schuh nicht mehr gegeben war.
    Der tatsächlich schlecht präparierte Hang begünstigte natürlich nicht den Ablauf. Dies ist jedoch dem herbstlichen Klima und der Herkunft des Kunstschnees geschuldet. Deswegen ist ein Saisonstart meiner Meinung nach in kälteren Klimaten unbedingt nötig.
    Weiterhin ist zu beachten, dass zu Beginn der Saison die Sturzwahrscheinlichkeit erheblich höher ist, aufgrund der kurzen Schneetrainingszeit.
    Das am Ende so viele Athleten gestürzt sind, ist natürlich tragisch und ich wünsche von hier aus auch meine besten Genesungswünsche und eine gute restliche Saison.

    • Liebe Ruth Werner, da ist mir der Karl Geiger wohl aus der Aufzählung der Deutschen gerutscht. Schon im Bericht aufgenommen. Aber toll, dass es so viele deutsche Springer gibt, die man nicht vergessen darf. Vielen Dank für den Hinweis!

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