Fünf Monate nach dem Betrug

WM-Manipulationsskandal: FIS will Marius Lindvik und Johann Andre Forfang suspendieren

Foto: imago / NTB

Als Konsequenz des Manipulationsskandals bei der WM in Trondheim plant die FIS weitere Konsequenzen für Marius Lindvik und Johann Andre Forfang. Der norwegische Verband bestätigt die Anklage gegen fünf Personen.

Wie der Internationale Skiverband (FIS) am Montag bestätigt hat, plant er weitere Konsequenzen gegen Marius Lindvik und Johann Andre Forfang im Zuge des Manipulationsskandals während der Nordischen Ski-WM in Trondheim. Zuvor hatte der norwegische Rundfunksender ‚NRK‘ gemeldet, dass der Weltverband beide Athleten erneut suspendieren will.

Auch der norwegische Skiverband hat am Mittag bestätigt, dass die FIS Anklage gegen fünf Personen aus dem norwegischen Skisprungteam erhebt: Neben Lindvik und Forfang sind demnach auch der ehemalige Cheftrainer Magnus Brevig, dessen Assistent Thomas Lobben sowie Servicetechniker Adrian Livelten betroffen.

Dreimonatige Sperre und Geldstrafe möglich

Laut ‚NRK‘ will die FIS Lindvik und Forfang für drei Monate suspendieren – abzüglich der Zeit, in der sie bereits im März nach der Nordischen Ski-WM in Trondheim suspendiert waren. Dazu sollen beide Athleten eine Geldstrafe in Höhe von 2.000 Schweizer Franken erhalten. Brevig und seine beiden Betreuer sollen laut Fernsehsender ‚TV2‘ für insgesamt 18 Monate gesperrt werden, dazu sollen sie die Rechtskosten tragen.

Zuvor soll es eine Anhörung der beiden Skispringer durch das Ethikkomitee der FIS geben, das letztlich dann über das Strafmaß entscheidet. Die Sperre tritt dann zum Zeitpunkt der endgültigen Entscheidung durch das Ethikkomitee in Kraft. Die FIS selbst hat bislang keine offizielle Stellungnahme abgegeben, diese aber für Montag angekündigt.

In einer Mitteilung des norwegischen Skiverbandes heißt es, dass sich seine Präsidenten Tove Moe Dyrhaug, selbst Mitglied des FIS-Vorstands, wegen Befangenheit in der Behandlung des Falls zurückgezogen und an der Entscheidung der FIS nicht mitgewirkt habe.

„Der norwegische Skiverband distanziert sich deutlich von jeder Form von Betrug oder Manipulation. Wir sollen ein Vorbild für Fairplay sein, und von all unseren Athleten und Mitarbeitern wird erwartet, dass sie die Regeln vollständig einhalten. Ich möchte betonen, dass wir weiterhin volles Vertrauen in die Erklärungen von Lindvik und Forfang haben und dass sie von der Manipulation der Skisprunganzüge nichts wussten“, sagte Dyrhaug.

Sportdirektor Aalbu: „Keine Beweise, dass sie von der Manipulation wussten“

Auch Sportdirektor Jan-Erik Aalbu zeigte sich überrascht von der Anklage von Lindvik und Forfang. „Wir haben unseren Athleten zugehört und glauben ihnen, wenn sie sagen, dass sie von der Manipulation der Anzüge nichts wussten. Es gibt keine Beweise dafür, dass sie von der Manipulation wussten, die durchgeführt wurde. Deshalb sind wir mit der Einschätzung von FIS, dass es Gründe gibt, gegen Forfang und Lindvik vorzugehen, nicht einverstanden, respektieren aber den Prozess“, so Aalbu am Montag.

Der Verband betont in einer Mitteilung, dass auch das von der FIS mit der Untersuchung beauftragte Unternehmen Quest in London keine Erkenntnisse darüber erlangt hätte, dass Lindvik und Forfang von den Manipulationen gewusst hätten.

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„Wir hatten eine konstruktive Zusammenarbeit mit FIS und dem unabhängigen Ermittler. Gleichzeitig halten wir daran fest, dass es falsch ist, gegen die Athleten vorzugehen. Wir erkennen an, dass FIS eine andere Meinung hat und die Sache verfolgen will, und nehmen das zur Kenntnis“, sagte der kommissarische Generalsekretär Ola Keul.

Norwegischer Verband könnte vor den CAS ziehen

Der Verband hält sich auch die Möglichkeit offen, die offiziell noch ausstehende Entscheidung der FIS im Falle von Lindvik und Forfang anzufechten.

„Der Ausschuss wird schriftliche Stellungnahmen der Parteien erhalten, gefolgt von einer mündlichen Anhörung, bei der wir und die FIS Beweise und Zeugenaussagen vorlegen können. Anschließend wird der Ausschuss eine begründete Entscheidung treffen. Sollten Parteien mit dem Urteil nicht einverstanden sein, kann der Fall an das FIS-Berufungsgremium und schließlich an den Internationalen Sportgerichtshof CAS weitergeleitet werden“, erklärt Rechtsanwalt Thomas Skjelbred, der den norwegischen Skiverband berät.

Pedersen und Johansson offenbar freigesprochen

Wie der norwegische Verband mitteilte, sollen Kristoffer Eriksen Sundal, Robin Pedersen und der inzwischen zurückgetretene Robert Johansson sind von allen Vorwürfen freigesprochen sein.

„Jetzt ist die Untersuchung abgeschlossen und es wird keine Anklagen geben. Wir sind nicht überrascht, aber natürlich froh darüber. Es war zu erwarten, weil Robert nichts falsch gemacht hat“, sagte Johanssons Anwalt Nicolai Loeland Dolva zu ‚NRK‘. Schon vor einigen Wochen hatte Johansson angekündigt, rechtliche Schritte gegen die FIS zu prüfen. „Mit dem Wissen von heute können wir auch sagen, dass die Suspendierung falsch war. Wir werden das im Laufe des Herbstes weiter prüfen“, so der Anwalt weiter.

Der Entscheidung gehen monatelange Untersuchungen der unabhängigen Ethik- und Compliance-Abteilung der FIS (IECO) voraus. Deren Abschlussbericht basiert auf 38 Zeugenbefragungen und 88 Beweisstücken und wurde dem FIS-Ethikkomitee (FEC) vorgelegt. Unter Vorsitz des Sportrechtsexperten Michael Beloff musste das Gremium mögliche Sanktionen prüfen – zur Verfügung standen laut FIS-Statuten etwa Disqualifikationen, Suspendierungen oder Geldstrafen.

Video löst WM-Skandal aus

Am 8. März nahm das Drama seinen Lauf: Ein im Vorfeld der WM-Entscheidung auf der Großschanze veröffentlichtes Video machte die Runde, das Manipulationen an den norwegischen Sprunganzügen zeigen sollte. Die spätere Materialprüfung durch den Internationalen Skiverband (FIS) bestätigte den Verdacht – die Gastgeber hatten ihre Anzüge an den Nähten mit einem laut Reglement verbotenen Band verstärkt, um mehr Stabilität und damit größere Sprungweiten zu erzielen.

Neben Lindvik, der durch die Disqualifikation seine Silbermedaille verloren hat, traf die Suspendierung zunächst Forfang, später auch Sundal, Pedersen und Johansson. Sportdirektor Jan-Erik Aalbu räumte den Regelverstoß öffentlich ein und versprach eine interne Aufarbeitung. Nur wenig später erklärte er Cheftrainer Magnus Brevig, dessen Assistent Thomas Lobben und Servicetechniker Adrian Livelten zu den allein Verantwortlichen – und entließ alle drei.

Während die entlassenen Trainer und der Servicemann weiterhin auch von der FIS gesperrt geblieben sind, betonen die betroffenen Springer bis heute, nichts von den Manipulationen gewusst zu haben. Vor allem Lindvik präsentierte sich bereits zu Beginn des diesjährigen Sommer-Grand-Prix in glänzender Form und gewann am Samstag das Auftaktspringen in Courchevel.

Dieser Artikel wird fortlaufend aktualisiert.

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Über Marco Ries 927 Artikel
Inhaber und Chefredakteur von skispringen.com. Hat sich nach der Jahrtausendwende am Skisprungfieber anstecken lassen und 2009 dieses Angebot gegründet. Studiert an der Universität Heidelberg und arbeitet nicht nur im Winter als freier Journalist und Autor (u.a. das Buch „Unnützes Skisprungwissen“).

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