Hofer-Nachfolger Pertile bremst

Skifliegen für Damen schon 2021?

Foto: GEPA

Gibt es 2021 bereits das erste offizielle Skifliegen für die Damen? Der norwegische Skiverband wagt einen Vorstoß, den längst nicht alle befürworten. Darunter auch der neue Renndirektor Sandro Pertile.

Der norwegische Skiverband hat Großes vor: In der kommenden Saison soll die „Raw Air“-Tournee auch für die Damen in Vikersund enden. Dort soll es dann das erste Skifliegen im Rahmen eines Wettkampfs geben. Dieses Vorhaben hatte Sportdirektor Clas Brede Braathen bereits im November 2019 geäußert, nun soll es auch den Weg in den Weltcup-Kalender finden. Das stößt nicht nur auf Gegenliebe, es gab Gegenwind von höchster Stelle.

„Ich glaube nicht, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, über ein Skifliegen für die Damen zu diskutieren. Vom technischen Standpunkt gesehen gibt es kaum welche von ihnen, die die Schanze bewältigen können“, wird Sandro Pertile vom norwegischen Medium VG zitiert. „Ich denke, es braucht mehr Zeit. Man muss es Schritt für Schritt angehen. Es ist schon herausfordernd genug für viele von den Großschanzen zu springen“, so der Italiener, der gerade erst zum Renndirektor der Herren aufgestiegen ist.

Braathen hält an Vorhaben fest

Er sei nicht grundsätzlich gegen Skifliegen für Frauen, es gebe jedoch derzeit noch zu viele Risikofaktoren. „Wir sollten die Damen nicht dazu drängen, Skifliegen zu gehen. Man denke nur daran, welche negativen Effekte es für die anderen haben könnte, wenn es einen schweren Sturz gibt“, äußerte der 51-Jährige.

Kurioserweise hatte der Internationale Skiverband (FIS) zur Saison 2018/2019 das bis dato bestehende Verbot von Skifliegen für Frauen aufgehoben, ebenso die Beschränkung auf maximal 30 Teilnehmerinnen für Großschanzen-Wettkämpfe. Rein regeltechnisch steht einem Skifliegen also bereits seit zwei Jahren nichts mehr im Wege.

Clas Brede Braathen, der vor einem halben Jahr bereits äußerte, dass er hoffe, „dass eines Tages eine Frau den weitesten Flug in der Geschichte des Skispringens absolviert“, reagierte mit großem Unverständnis auf die Äußerungen des Nachfolgers von Walter Hofer: „Solche Aussagen sind absolut nicht zeitgemäß, diese Argumente können und dürfen nicht zählen.“

Auch Lundby gibt Pertile Contra

Auch die von Pertile angesprochenen vermeintlichen technischen Defizite schätzt der ehemalige Skispringer anders ein: „Die Damen springen heutzutage technisch besser als die Herren in den 90ern, zudem sind auch Material und Schanzen deutlich besser als damals. Da hat auch niemand gefragt, ob das richtig ist. Ich bin überzeugt, dass die Damen genauso gut sein können wie die Herren. Für den Zuschauer macht es beim Flug selber gar keinen Unterschied.“Dies seien genug Gründe, um am Vorhaben festzuhalten, so Braathen.

Auch die nun dreimalige Gesamtweltcupsiegerin Maren Lundby sprach sich klar für ein Skifliegen für ihre Kolleginnen und sich aus: „Lasst uns in Vikersund bei der Raw Air im nächsten Jahr fliegen. Es sollte ein Super-Finale geben mit den besten zehn bis 15 der Welt.“ Ihrer Ansicht nach gehe die Entwicklung im Damen-Skispringen weiterhin zu langsam: „Wenn wir bessere Skispringerinnen werden wollen, müssen wir auch auf den größten Schanzen der Welt springen“, sagte die 25-Jährige, die bereits 2017 den Wunsch Skifliegen zu gehen geäußert hatte.

Wettkampfpremiere ja, Weltpremiere nein

Dabei sind Frauen auf der Skiflugschanze bei Weitem nichts Neues. Denn zwischen 1997 und 2009 absolvierten sieben Frauen insgesamt 50 Flüge auf den damaligen 200-Meter-Schanzen in Vikersund und Bad Mitterndorf. Den Anfang machte die Österreicherin Eva Ganster, die auf der K185 am Kulm 167 Meter weit flog. Die bis heute gültige Top-Weite setzte Daniela Iraschko am 29. Januar 2003 auf derselben Schanze mit exakt 200 Metern.

2004, 2007 und 2009 durften mit Anette Sagen (Hausrekord: 174,5 Meter), Helena Olsson (174,5), Lindsey Van (171,0), Line Jahr (155,0) und Jessica Jerome (126,0) fünf weitere ehemalige Weltklasse-Skispringerinnen in Vikersund als Vorfliegerinnen fungieren. Doch seit dem 13. März 2009 sind inzwischen mehr als elf Jahre vergangen – elf Jahre, in denen das Damen-Skispringen unbestritten ein ganz anderes Level erreicht hat.

Norwegen als Vorreiter in Sachen Gleichberechtigung

Was jedoch auffällt: Es sind einmal mehr die Norweger, die Historisches wagen wollen. Alles begann im Dezember 2011 in Lillehammer mit dem ersten Weltcupspringen überhaupt. 2013 gab es dann am Holmenkollen das erste Großschanzen-Springen im Weltcup, 13 Jahre nachdem sich erstmals zwölf mutige Damen von jenem berühmten Bakken stürzten. Vor gut einem Jahr führte der Norges Skiforbundet schließlich das „Equal Pay“ ein, das identische Grundgehalt für Damen und Herren – als erster Verband überhaupt.

Im Februar entbrannte schließlich die Diskussion darüber, dass die Damen in Oberstdorf auf der Großschanze springen, bei der WM 2021 an Ort und Stelle aber nicht. Und wieder war es Braathen mit seinem Verband zusammen und der Staatsregierung im Rücken, der eine Abstimmung über die Aufnahme des Großschanzen-Springens ins WM-Programm 2021 erwirkte.

Auch interessant: Clas Brede Braathen im Exklusiv-Interview über Gleichberechtigung und ein mögliches Großschanzenspringen bei der WM 2021 in Oberstdorf

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Über Luis Holuch 521 Artikel
Seit 2010 als Journalist tätig und hat 2017 sein erstes Buch veröffentlicht. Wie es die Leidenschaft wollte, ging es darin um das Damen-Skispringen. Genau dafür ist er bei skispringen.com auch primär zuständig. Kommentierte den offiziellen Live-Stream der Junioren-WM 2020, sowie die FIS-Classics-Serie und die Continentalcup-Finals der Nordischen Kombination.

7 Kommentare

  1. @Conrad: „die Puppen“? Was sind Sie denn für ein frauenverachtender Chauvinist? @Skispringen.com: so ein Niveau lasst ihr in euren Kommentaren zu?

  2. Ich fände es sehr positiv, wenn die besten Damen endlich (wieder) die Gelegenheit zum Skifliegen bekämen. Zu hoch sollte man es nicht aufhängen, sondern die Sportlerinnen erst einmal Erfahrungen sammeln lassen. Im Übrigen heißt die Renndirektorin der Skispringerinnen Chika Yoshida und nicht Sandro Pertile. Der Herren-Renndirektor und der Rentner Walter Hofer haben sich hier nicht einzumischen. Ihre größte Befürchtung ist wohl, dass die Damen den „Herren der Schöpfung“ die Show stehlen und das „Produkt“ Skispringen/-fliegen abwerten könnten. Das hat Hofer in der Vergangenheit auch sinngemäß gesagt.

  3. Dann lasst wenigstens die Fliegen, die unbedingt fliegen wollen und auf Großschanzen ihr Können bewiesen haben! Sind wir ein Verbotsverband oder eine freie Gesellschaft? Mich machen diese Bevormundereien wütend.

  4. Ich gebe Herrn Pertile Recht! Habe mehrere Frauenwettkämpfe live gesehen und glaube auch (ohne die Leistungen der Damen schmälern zu wollen) dass es derzeit höchstens 10 Springerinnen gibt, die ich ohne grössere Bedenken da runterschicken würde. Also was soll das??? Gleichberechtigung ok, aber bitte ni ht mit der Brechstange und auf Kosten der boch etwas schwächeren Athletinnen. Die Gruppe ist einfach noch zu inhomogen.

    • @Ein besorgter Fan…sehe ich genauso. Würde unheimlich gern die Puppen fliegen sehen, aber echte Flüge wird man tatsächlich nur von den erweiterten Top10 erwarten können. Da wird ein Qualitätsverlust ja bereits von der kleinen auf die große Schanze so eklatant, dass es nicht wirklich ne Leistungsdichte gibt. Auf nem Backen wie Vikersund wird die Streuung so extrem sein, als würde man bei den Männern die 2 Klasse der Kombinierer mit untermischen.

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