Sportlicher Leiter des DSV

Horst Hüttel im Interview zum neuen Bundestrainer Stefan Horngacher

Foto: GEPA

Im exklusiven Interview bei skispringen.com spricht Horst Hüttel, Sportlicher Leiter beim DSV, über die Verpflichtung des neuen Bundestrainers Stefan Horngacher und die emotionale Verabschiedung von Werner Schuster.

Zwei Monate nachdem Werner Schuster sein Ende als Bundestrainer der deutschen Skispringer verkündet hat, präsentierte der Deutsche Skiverband (DSV) Stefan Horngacher als dessen Nachfolger. Im Gespräch mit skispringen.com-Redakteur Marco Ries gibt Horst Hüttel Einblicke in die Verhandlungen. Der Sportliche Leiter der Disziplinen Skispringen und Nordische Kombination blickt voraus auf die kommenden Monate mit Horngacher – und zurück auf eine emotionale Verabschiedung von Werner Schuster.

Herr Hüttel, nach langen Verhandlungen haben Sie mit Stefan Horngacher einen neuen Bundestrainer gefunden. Man kann davon ausgehen, er war ihr Wunschkandidat?

Horst Hüttel: Ich bin nicht unbedingt mit einem Wunschkandidaten an die Sache herangegangen und habe nicht differenziert, wer Nummer ein, zwei und drei ist. Ich habe mir pragmatisch überlegt, welche Trainer überhaupt in der Lage sind, das System in Deutschland führen zu können. Stefan Horngacher war sicherlich ein Kandidat, der mir von Anfang an im Kopf war, aber es hätte auch zwei andere Möglichkeiten gegeben. Es war keine einfache Entscheidung und es ist nicht so, als wäre die Entscheidung schnell klar gewesen. Auch Stefan hat sich diesen Schritt gründlich überlegt. Am Ende waren kleine Punkte ausschlaggebend dafür, dass sich Stefan Horngacher für uns entschieden hat. Es war doch eine große emotionale Verbindung zur polnischen Mannschaft zu spüren. Ihm ist bewusst, was er dort aufgebaut hat.

„Die Errungenschaften des Systems beibehalten“

Der Kopf der Mannschaft steht damit fest, aber eine Entscheidung über das Trainerteam hinter dem neuen Bundestrainer Horngacher ist noch nicht gefallen.

Hüttel: Das ist richtig. Wir werden die weiteren Entscheidungen bei der Trainerklausur für das Skispringen in der kommenden Woche treffen. Bis dahin werden wir noch intensive Gespräche führen, aber für mich steht schon ein Gerüst fest. Neben Werner Schuster haben auch unser Co-Trainer Roar Ljoekelsoey und Physiotherapeut Korbinian Oefele die Mannschaft nach tollen Jahren der Zusammenarbeit verlassen. Bei Roar hat die familiäre Situation den Ausschlag gegeben, er wird nach Norwegen zurückkehren und hat ein Angebot aus Trondheim vorliegen. Er wird seinen Weg in Norwegen sicherlich weitergehen. Auch Korbinian Oefele hat in den letzten Jahren enorm wichtige Arbeit geleistet und wird sich nun selbständig machen. Auch in diesem Bereich sind wir noch auf der Suche nach einem Nachfolger.

Sie haben gemeinsam mit Werner Schuster das System in Deutschland grundlegend neu aufgebaut. Inwieweit ist mit der Verpflichtung von Stefan Horngacher nun mit Änderungen zu rechnen?

Hüttel: Wir wollen natürlich die Errungenschaften des Systems beibehalten – all das, was wir in den letzten Jahren aufgebaut haben. Das betrifft vor allem die Durchlässigkeit zwischen A-, B- und C-Kader sowie eine kollegiale Atmosphäre des Zusammenarbeitens in der Trainerschaft. Das war ein eines der Kernprobleme, als wir 2008 übernommen haben. Stefan hat das alles miterlebt und steht hinter dieser generellen Ausrichtung. Werner Schuster hat hier maßgebliche Arbeit geleistet, die wir so fortsetzen möchten. Auch Stefan hat schon in den ersten Gesprächen nicht nur den A-Kader, sondern auch das System dahinter im Blick gehabt – was das angeht, sind sich beide sicherlich ähnlich. Trotzdem wird Stefan Horngacher ein paar Dinge in der Organisation und auch inhaltlich neu gestalten, aber das ist normal, wenn eine Person mit neuen Ideen in das System kommt. Das ist sicherlich auch vorteilhaft und ich gehe davon aus, dass wir hier unseren Weg finden.

„Welle der Sympathie, Dankbarkeit und Wertschätzung für Werner Schuster“

Wie würden Sie Stefan Horngacher beschreiben? Was macht ihn als Trainer aus?

Hüttel: Sein Schritt 2016 wegzugehen und Cheftrainer in Polen zu werden, war sicherlich sehr mutig und sehr wichtig für seine persönliche Entwicklung. Er war ja viele Jahre in unser System eingebunden, dazu hatten wir im Weltcup regelmäßig Kontakt. Während der Gespräche in den letzten zwei Wochen habe ich gemerkt, wie sehr er sich weiterentwickelt hat. Er wirkt sehr klar in seinen Vorstellungen und legt einen starken Schwerpunkt auf die inhaltliche und technische Seite. Er ist weniger ein nach außen gehender Mensch, wie es Werner Schuster war, sondern ein wenig introvertiert, aber dennoch sehr offen und reflektiert.

Wie haben Sie die letzten Wochen mit Werner Schuster und dessen Abschied erlebt? Sie waren ja doch eng miteinander verbunden.

Hüttel: Sehr emotional! Ihm ist wirklich eine Welle der Sympathie, Dankbarkeit und Wertschätzung entgegen geschwappt. Beispielsweise bei der letzten Mannschaftsführersitzung in Planica, wo sich die internationale Trainerschaft erhoben und von ihm verabschiedet hat. Alexander Stöckl hat hier das Wort ergriffen und sich für das Mitwirken über all die Jahre bedankt. Werner hat sich international einen Namen gemacht in den letzten elf Jahren. Innerhalb des DSV haben wir für ihn am Chiemsee eine zweitägige Verabschiedung organisiert, mit Bootsfahrt und Kutschfahrt auf der Insel. Da waren auch viele ehemalige Athleten dabei, beispielsweise Michael Uhrmann, Georg Späth und Stephan Hocke. Dazu hat sich der DSV entschieden, Werner Schuster im Oktober mit einer ganz besonderen Ehrung auszuzeichnen.

Sie haben erklärt, Werner Schuster in Zukunft im Verband halten zu wollen. Was ist die Idee dahinter?

Hüttel: Es würde mich natürlich freuen, wenn er uns auf dem gemeinsamen Weg weiterhin ein Stück begleiten würde. Zunächst muss er erst einmal etwas Abstand gewinnen, dann wird er entscheiden, ob er weiterhin eine Aufgabe im Hause des DSV ausführen wird. Der DSV plant eine Akademie aufzubauen, wo unter anderem Führungskräfte geschult und beraten werden sollen. Ein neues und sehr spannendes Projekt, wo Werte aus dem Sport vermittelt werden, die in der Wirtschaft ebenso wichtig sind, um auf Erfolgskurs zu bleiben. Hier könnte er sicherlich auf sehr authentische Art und Weise viele interessante Inputs beisteuern.

Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für die Zukunft!

Auch interessant: Nach seinem Ende als Bundestrainer übernimmt Werner Schuster einen neuen Job: Der Österreicher soll Rekord-Weltcupsieger Gregor Schlierenzauer zurück an die Weltspitze führen und wird dessen Berater.

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Über Marco Ries 881 Artikel
Inhaber und Chefredakteur von skispringen.com. Hat sich nach der Jahrtausendwende am Skisprungfieber anstecken lassen und 2009 dieses Angebot gegründet. Studiert an der Universität Heidelberg und arbeitet nicht nur im Winter als freier Journalist und Autor (u.a. das Buch „Unnützes Skisprungwissen“).

7 Kommentare

  1. Werner Schuster hat auf sehr sympathische Art und Weise die deutschen Adler führen können. Ich denke, dass Stephan Horngacher das ebenso gelingen wird.

  2. Die Fußstapfen von Werner Schuster sind riesig. Sicher ist nur, dass das keine leichte Aufgabe für Horngacher wird. Ich wünsche ihm auch das Beste, aber in dieser Saison waren die Polen ja nicht unbedingt die großen Gewinner.

    • Sie haben nur Platz 3 bis 5 im Gesamtweltcup belegt. Im übrigen vor dem besten Deutschen. Nicht falsch verstehen. Ich finde auch, dass die Fußstapfen riesig sind. Aber ich finde, er ist der richtige Mann, um das Erbe weiter zu führen.

    • Horngacher war dieses Jahr mit dem polnischen Team erfolgreicher als Werner Schuster mit den DSV Adlern. Genau wie in den ganzen letzten 3 Jahren.

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