Modifikation oder verbotene Neuerung?

Polnische Sprungschuhe sorgen für Diskussionsstoff – und einen Protest

In Willingen wurden mit Piotr Zyla und Stefan Hula gleich zwei Polen wegen ihrer Sprungschuhe disqualifiziert. Warum davon aber die ganze Mannschaft betroffen ist und was Stefan Horngacher damit zu tun hat.

„Skispringen ist die Formel 1 des Wintersports“ – mit diesem Slogan warb der TV-Sender ‚RTL‘ Anfang der 2000er-Jahre für seine Übertragungen. Damals hatte der Medien-Gigant kaum ahnen können, dass der schmissige Spruch bis heute Gültigkeit hat, wenn auch auf eine andere Art und Weise. Ähnlich wie die Königsklasse des Motorsports geht es auch im Skispringen um Kleinigkeiten, vor allem im Materialsektor. So auch beim zurückliegenden Weltcup in Willingen, als die polnische Mannschaft einen neuen Schuh hervorzauberte – und dafür hart bestraft wurde.

Mit Piotr Zyla und Stefan Hula wurden zwei Schützlinge von Trainer Michal Dolezal disqualifiziert. „Ich musste das den Regeln nach leider tun. Das ist ein sehr unerfreulicher und schwieriger Tag für mich“, sagte FIS-Materialkontrolleur Mika Jukkara nach dem Springen bei ’sport.pl‘. Herrschte zunächst noch großes Rätselraten aufgrund des ungewöhnlichen Grundes, so ist die Sache zumindest vorläufig geklärt: Während der polnische Verband (PZN) eine Modifikation in dem Schuh sah, stufte Jukkara dieses als gänzlich neues Modell ein. Damit wurde zugleich auch ein Präzedenzfall geschaffen.

Horngachers Protest als Auslöser

Jede neue technische Lösung muss der FIS-Materialkomission bis Mai gemeldet werden, die wiederum über deren Zulassung entscheidet. Diesen Prozess gab es in diesem Fall nicht. Entsprechend groß war das Unverständnis von PZN-Sportdirektor Adam Malysz, der via ‚Facebook‘ ankündigte: „Wir werden für diese Schuhe kämpfen, weil sie nur modifiziert wurden – anders, als Stefan Horngacher oder die FIS es behauptet. Jeder bereitet eine Waffe in Form einer technischen Neuerung vor und bringt sie zu einem Großereignis. Und auch wir haben uns nicht hängen lassen.“ Seine Aussage widerspricht jedoch elementar der von Ewa Nagaba, der Besitzerin der gleichnamigen Schuhmanufaktur, um deren Produkt es geht: „Es ist ein merklicher Unterschied und kein kosmetischer.“

Malyszs Verweis auf den DSV-Bundestrainer birgt in zweierlei Hinsichten Brisanz: Zum einen war der Österreicher bis Frühling 2019 selbst polnischer Nationaltrainer, zum anderen war er es, der mit einem offiziellen Protest überhaupt Bewegung in die Sache brachte. Norwegens Cheftrainer Alexander Stöckl pflichtete seinem Landsmann auf ’sport.pl‘ bei: „Die Regeln sind klar: Sprungschuhe dürfen nicht so gemacht werden, dass sie den Springern einen aerodynamischen Vorteil verschaffen. Stefan hat das Richtige getan und das war für mich auch keine Überraschung. Die Änderungen am Schuh waren ziemlich offensichtlich. Hätte er es nicht getan, hätte es sicherlich jemand anders getan.“

Polen ohne neue Schuhe zu Olympia

Konkret geht es um die Rückseite der Schuhe, die nicht die richte Dicke hatte. ’sport.pl‘ sprach von einem bis zwei Millimeter, die diese zu weit war. Der Finne von „mehr“, ohne aber konkrete Zahlen zu nennen. Erst nachdem Horngacher den Protest eingereicht und die Gebühr von 100 Schweizer Franken gezahlt hatte, wurde der 58-Jährige überhaupt tätig: „Wenn wir es zugelassen hätten, dass mitten im Wettbewerb neue Modelle eingesetzt werden dürfen, hätte das nur großes Chaos verursacht. Genau das war der Grund für den Protest der deutschen Mannschaft.“

Nicht zum ersten Mal in der laufenden Saison sieht sich Jukkara Kritik ausgesetzt, nach der Vierschanzentournee hatte Stefan Horngacher „seltsame Materialkontrollen“ moniert. Warum der Finne in Willingen nur zwei und nicht alle fünf polnischen Springer, die das Schuh-Modell nutzten, disqualifizierte, bleibt völlig offen. Polnische Medien berichten, dass er genau das vorgehabt habe, auch dieser Darstellung widersprach er. Fest steht vorläufig nur: Die Polen dürfen die Schuhe, die sie in Willingen am Samstag genutzt hatten, vorerst nicht mehr einsetzen und damit auch nicht bei den Olympischen Spielen in Peking.

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Über Luis Holuch 521 Artikel
Seit 2010 als Journalist tätig und hat 2017 sein erstes Buch veröffentlicht. Wie es die Leidenschaft wollte, ging es darin um das Damen-Skispringen. Genau dafür ist er bei skispringen.com auch primär zuständig. Kommentierte den offiziellen Live-Stream der Junioren-WM 2020, sowie die FIS-Classics-Serie und die Continentalcup-Finals der Nordischen Kombination.

11 Kommentare

  1. Das war eine sehr eklige und unkollegiale Aktion vom österreichischen Kollegen. Man sollte sich besser auf seine eigenen Defizite konzentrieren, anstatt mit dem
    Finger auf andere zu zeigen. Petzen mag niemand und mit dieser Aktion hat sich dieser Mensch ins Abseits manövriert.

    • Ja, voll unsolidarisch gegenüber den Langzeit-Underdogs aus Polen. Die haben ja seit Jahrzehnten keine Schnitte im Skispringen und dann kommt jemand und verpetzt sie genau in dem Moment, wo sie endlich einmal auf die Erfolgsspur kommen könnten. So was unkollegiales!

      • Ich wüsste nicht, was die Tatsache, dass die Polen momentan schlecht in Form sind, mit Kollegialität zu tun hat. Manchmal sollte man vor dem Schreiben sein Ego aus- und sein Gehirn einschalten.

        • Sich mit klaren technischen Neuerungen unangemeldet und regelwidrig durchzumauscheln ist ja mal so richtig kollegial. Und dann hinterher bösartig rumzujaulen, wenn die Untat aufgedeckt wird, passt halt nur zu richtigen Versagern. Raff das mal, Hirn traust du dir ja zu.

  2. Die deutschen Skispringer nutzen eine Bindung die noch letztes Jahr verboten war und dieses auch noch nicht richtig ertest wurde. Diese Verhalten von Horngacher ist lächerlich. ÖsiAlman at its best

  3. Trotz allem eine sehr fiese Aktion von Hornbacher.Hat der das nötig?
    Der soll sich lieber ordentlich um die deutsche Mannschaft kümmern.

  4. Samstag polnische Schuhe, Sonntag Slatnar Ski. Stefan, was ist los? Alle gegen uns? Verschwörungswahn?
    By the way, entsprechen die mitgenommenen Matratzen der FIS Norm? Ist besseres Schlafen kein unlauterer Wettbewerbsvorteil?

    • Nein, besseres Schlafen ist kein unlauterer Wettbewerbsvorteil.
      Ist es sinnvoll, Ihre seltsamen Anwürfe mitten im Internet vorzubringen, oder wären sie doch besser in einem persönlichen Gespräch aufgehoben, da Sie und ‚Stefan’ ja scheinbar so gute Bekannte sind?

  5. Ah ja, sehr interessant! Danke Luis Holuch für die genaue Recherche. Ich liebe Eure Artikel, sie sind immer sehr gut geschrieben!

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