Forschungsergebnisse aus Norwegen

Studie klärt auf: So anfällig sind Skispringer für Verletzungen

Skispringen gilt gemeinhin als gefährlich, Skispringerinnen als verletzungsanfällig. Doch ist das wirklich so? Eine neue Studie aus Norwegen liefert interessante Erkenntnisse – vor allem im Hinblick auf das Dauerthema Knieverletzungen.

Verletzungen gehören zum Spitzensport ebenso dazu wie Medaillen und Pokale. Auch die erfolgreichsten Athletinnen und Athleten haben mit Wehwehchen zu kämpfen – die einen mehr, die anderen weniger. Von Laien wird Skispringen als gefährliche Sportart wahrgenommen. Klar, über ein oder mehrere Fußballfelder fliegen ist das eine – aber das mit teilweise über 100 Stundenkilometer und mit zwei Ski an den Füßen. „Das machen doch nur Verrückte, das ist doch gefährlich“, heißt es da oft. Ob gewollt oder nicht: Diesem Mythos widerspricht nun eine neue Studie aus Norwegen.

Oleane Marthea Rebne Stenseth weiß wovon sie spricht. Die 28-Jährige ist eine ehemalige Skispringerin und, seit ihrem Karriereende 2010, Skisprungtrainerin und Funktionärin. Zudem ist sie Doktorandin an der Medizinfakultät der Universität Oslo und forscht am Institut der klinischen Medizin, das ebenfalls zur Uni Oslo gehört. Gemeinsam mit zwei weiteren Forschern und unter der Führung von Lars Engebretsen, einem Orthopädiechirurgen und Professor, der zudem Head of Medical Sciences beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) ist, hat die Norwegerin nun die Ergebnisse ihrer Studie über Verletzungen im Damen-Skispringen veröffentlicht.

Skispringen: Weniger Verletzungsrisiko als andere Skisportarten

Diese belegt: Verletzungen sind keine Seltenheit. „Angesichts der Gesamtzahl, die wir vorliegen haben, kann man das schon so sagen“, sagt Stenseth. Jedoch: Im Vergleich zu anderen Sportarten, die nicht nur der Internationale Skiverband (FIS) in seiner Obhut und auch hinsichtlich Verletzungen überwacht (Ski Alpin, Ski Alpin, Ski Freestyle und Snowboard), ist Skispringen sogar die Sportart mit den wenigsten Verletzungen. Das belegen zumindest die Zahlen der Saisons von 2014/2015 und 2017/2018.

Speziell die letzte dieser Saisons (2017/2018) haben Stenseth und ihre Kollegen untersucht und dazu Athletinnen befragt. Insgesamt 67 füllten einen Fragebogen aus. 10 davon gaben an, eine Verletzungsdiagnose im Saisonverlauf erhalten zu haben. Drei erlitten sogar mehrere, sodass die Gesamtzahl schlussendlich 17 betrug. Was einer Verletzungsrate von 25,4 Verletzungen pro 100 Athletinnen pro Saison entspricht (mehrere Verletzungen bei ein und derselben Athletin also eingeschlossen).

Größere Weiten bedeuten nicht zwingend mehr Verletzungen

14 dieser Verletzungen erlitten die Springerinnen auf der Schanze, beim Wettkampf oder Training. Zwei Drittel, also zehn davon, resultierten aus Stürzen beim Telemark. Den Verdacht, dass dieser Landungsstil Verletzungen fördere, erhärtet die Studie zwar nicht, betonte jedoch, dass sich dies nur mit Videoanalysen in zukünftigen Studien endgültig beweisen ließe. Dann könnte man beurteilen, ob der Landevorgang oder vielleicht auch die Bindung ein Faktor sind.

Selbiges gelte auch für die Annahme, dass die Sprungweite Einfluss auf das Verletzungsrisiko habe. Bei lediglich einem Sprung, der eine Verletzung zufolge hatte, war die Sprungweite jenseits der Hillsize, heißt es in der Studie. Alle anderen waren sogar deutlich unter der 95 Prozent der Hillsize-Marke, die die FIS in der Saison als Orientierungspunkt für die Jurys ausgegeben hatte. Somit stünden höhere Sprungweiten nicht zwingend im direkten Zusammenhang mit einer höheren Verletzungshäufigkeit.

Im zweiten Teil erfahren Sie, welche Verletzungen besonders besorgniserregend und welche Faktoren dafür verantwortlich sind. Jetzt weiterlesen – Teil 2:

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Über Luis Holuch 530 Artikel
Seit 2010 als Journalist tätig und hat 2017 sein erstes Buch veröffentlicht. Wie es die Leidenschaft wollte, ging es darin um das Damen-Skispringen. Genau dafür ist er bei skispringen.com auch primär zuständig. Kommentierte den offiziellen Live-Stream der Junioren-WM 2020, sowie die FIS-Classics-Serie und die Continentalcup-Finals der Nordischen Kombination.

12 Kommentare

  1. Das derartige Studien heute erstellt werden, ist absolut lobenswert und dt. Sportwissenschaftler sollten ermutigt werden, das dt. Phänomen der häufigen Kreuzbandrisse zu erforschen. Als Ehemaliger Springer stelle ich aber die prozentualen Ergebnisse in Frage. Unberücksichtigt sind Nachwuchs- und Nicht-FIS Springerinnen. Eine Studie pro Schanze würde die Relationen verschieben, da im Heimtraining bei oft wiedrigeren Wetterbedingungen gesprungen wird und unsicherer Sportler andere Sturzhäufigkeiten aufweisen.

  2. Mich erstaunt die grosse Zahl von Kreuzbandrissen in der deutschen Mannschaft sowohl bei den Damen als auch bei den Herren. In keiner anderen Nation ist eine solche auch nur annäherungsweise Häufung zu sehen. Gibt es Ursachenforschung? Das kann doch kein Zufall oder einfach nur Pech sein…

  3. Vor ca 10 Jahren hatte man beim Sommer Grand Prix den Telemark komplett ohne Bewertungen gelassen. Gefühlt ist jeder 5. Springer gestürzt.
    Soviel dazu

  4. Ein interessanter Artikel mit Verweis auf diese Studie.
    Es gab vor einigen Jahren mal eine Studie zu Kreuzbandverletzungen im Frauenfussball. Einige Teams haben daraufhin das Training umgestellt und die Anzahl der Verletzungen ging auch zurück.
    Ich bin überzeugt, dass es beim Skispringen mehrere Faktoren sind, die eine Rolle spielen. Dadurch ist auch eine Patentlösung nicht zu finden. Die Hebelwirkungen der Ski bei einem Sturz, der mögliche (zu) hohe Druck auf die Kreuzbänder bei der Landung oder eine Distorsion des Kniegelenks nach einem Sturz (ohne Ski). Viele verschiedene Möglichkeiten, sich schwerwiegende Verletzungen zuzuziehen.

  5. Da gebe ich Dir recht.Was kann ein Springer dafür,wenn er über die Hillsize springt und um einen Sturz zu vermeiden keinen Telemark macht und dafür noch sehr schlecht bewertet wird!

    • Für gefährlich weite Sprünge ist in erster Linie die Jury verantwortlich, das Risiko trägt aber der Springer, dem dann zur Strafe auch noch die Punkte für einen „Sicherheitsaufsprung“ abgezogen werden. Wie wär‘s, wenn man wenigstens für Landungen jenseits der HS keine Punkte mehr abziehen dürfte? So würden die Allerbesten nicht auch noch für Fehler der Jury bestraft.

  6. Jede Sportart legt sich ihre Studie so zurecht, daß sie am Ende als nicht gefährlich eingestuft werden. Starben die Leute beim Fallschirmspringen früher weil die Schirme nicht aufgingen, wie im Volksmund Öffnungsstörungen genannt werden, sterben sie heute beim Landen.- Also wird das Springen heute als nicht mehr so gefährlich eingestuft werden weil die Schirme ja sicherer wurden.. Ob Ski- oder Fallschirmspringen….- es muss versucht werden das Unglücksrisiko zu minimieren- beim Skispringen meines Erachtens im Abwerten des Telemarks.- Wie dokumentiert er ob ein Springer springen kann- für mich definiert er es in der Weite und nicht mit dem Landevorgang.- Beim Falllschirmspringen dagegen- kleine und schnelle Schirme nicht zu forcieren.

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