Fünf Flüge über 200 Meter

Alexandria Loutitt gelingt neuer Frauen-Weltrekord in Vikersund

Foto: Tone K Kristiansen / vikersund.no

45 Flüge in drei Durchgängen, fünf Flüge über 200 Meter, drei Weltrekorde und strahlende Gesichter, wohin man schaut: Das Training der Frauen beim Skifliegen in Vikersund ist geglückt.

Mit einem Tag Verspätung, dafür mit umso mehr Emotionen durften die Skispringerinnen am Samstag in Vikersund ihre ersten Trainingsflüge absolvieren. Was mit einem Herantasten begann, führte schlussendlich zu fünf Flügen über 200 Meter, drei Weltrekorden und 15 strahlenden Gesichtern. skispringen.com ist in Vikersund vor Ort und schildert die Ereignisse und lässt die Protagonistinnen hier ausführlich zu Wort kommen.

„Ich habe keine Ahnung, wie es mir geht“, sagte Kanadas Cheftrainer Janko Zwitter vor dem Beginn des Trainings im Gespräch mit skispringen.com, etwa eine Stunde später kam er aus dem Jubeln nicht mehr heraus. Und das aus gutem Grund, schließlich war seine Athletin Alexandria Loutitt im dritten Trainingsdurchgang auf 222 Meter und damit zum neuen und aktuellen Frauen-Weltrekord gesegelt. „Es klingt einfach nur crazy, dass ich jetzt tatsächlich diesen Weltrekord habe“, strahlte Loutitt im Anschluss im Gespräch mit skispringen.com und ergänzte: „Ich habe nichts anders gemacht als sonst und auch meine Trainer wussten, dass sie mir Vertrauen können, auch wenn alles eine Nummer größer ist.“

Ema Klinec hinterlässt den stärksten Eindruck

Während Loutitts letzter Flug gut genug für Platz zwei war, war unter dem Strich aber Ema Klinec die Frau des Tages. Die Raw-Air-Leaderin ging als 15. und damit letzte Athletin vom Bakken und war im zweiten Durchgang die erste, die die magische 200-Meter-Marke knackte. Ihr Flug auf 203 Meter war der erste offizielle Frauen-Weltrekord jenseits der 200 Meter, nachdem Daniela Iraschkos Flug am Kulm im Jahr 2003 aufgrund fehlender offizieller Weitenmessung als inoffiziell galt. Folgerichtig beendete sie diesen zweiten Durchgang als Erste und wiederholte dies auch im dritten Durchgang mit 221 Metern – allerdings aus fünf Gates weniger als Loutitt.

Nur wenige Minuten zuvor hatten die meisten der anwesenden Zuschauer schon frohlockt, als Maren Lundby verdächtig nahe an den K-Punkt des „Monsterbakken“ gesegelt war. Doch sie verriet skispringen.com nach dem Training, dass „ich davon ausging, dass es nicht ganz 200 Metern waren. Natürlich habe ich gehofft, aber ich war auch nicht überrascht, als die Weite dann angezeigt wurde.“ Ihren 200-Meter-Flug erlebte sie dann im letzten Durchgang aber doch noch und löste Klinec als Weltrekordhalterin zunächst ab. Entsprechend groß war die Freude der 28-Jährigen: „Es ist definitiv die beste Erfahrung, die ich auf einer Schanze machen durfte. Es ist einfach cool, so weit fliegen zu können.“

So lief das Training für die DSV-Springerinnen

Auf den ersten 200-Meter-Flug einer deutschen Skispringerin muss hingegen weiter gewartet werden. Selina Freitag flog mit 147,5, 166 und 174 Metern auf die Plätze sieben, acht und sechs und war sichtlich gut gelaunt: „Es war richtig gut fürs erste Mal und ich habe mich mit jedem Sprung gesteigert. Es ist eine unglaublich coole Erfahrung. Ich kriege das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht, das macht so Bock!“, strahlte sie und erklärte auch ihre Herangehensweise: „Ich habe nichts anders gemacht als sonst, weil man ja auch nichts anders macht. Und die Schanze ist auch nicht kompliziert, weil man nicht hoch oben raussteigt, sondern unten raus schneller wird. Auch die Geschwindigkeit fühlt sich an wie sonst.“

Auch bei Katharina Althaus war mit den Weiten von 175, 176 und dem neuen deutschen Frauen-Rekord von 190 Metern eine stetige Steigerung erkennbar. „Ich würde morgen schon gerne noch einen 200er ausklinken“, schmunzelte sie, hob aber vor allem das gemeinschaftliche Erlebnis hervor. „Es ist einfach nur geil, dass wir das jetzt erleben und machen dürfen. Jede hat sich für die anderen mitgefreut und das hat unglaublich viel Spaß gemacht.“ Als dritte DSV-Springerin war auch Anna Rupprecht mit dabei, sie belegte mit 124, 115,5 und 110 Metern den 14. respektive zwei Mal den 15. Platz. „Ich hoffe, dass ich morgen noch etwas besser springen kann. Aber vielleicht fehlt es einfach an fliegerischem Vermögen und ganz sicher an der Substanz. Ich bin einfach nicht mehr so fit wie bei der WM in Planica nach zehn Tagen Krankheit und jetzt einer Woche Norwegen“, erklärte sie.

So ging die Jury vor

Auch für die Jury war dieses erste Training eine besondere Herausforderung, umso mehr nach der frühzeitigen Absage vom Vortag. Entsprechend konservativ ging die Wettkampfleitung an die Sache heran und wählte im ersten Durchgang Luke 18 im Anlauf aus, wodurch die Springerinnen mit etwa 100 km/h anfuhren. Nachdem Silje Opseth und Alexandria Loutitt in diesem Durchgang mit 186,5 Meter die Bestweite erzielten und alle Athletinnen sicher den Bakken herunterkamen, gab es im zweiten Durchgang mit Luke 20 etwas mehr Fahrt, wodurch die Durchschnittsgeschwindigkeit um eine einen km/h anstieg. Lediglich im dritten Durchgang mutete die Verkürzung von Gate 19 auf 14 etwas zu übervorsichtig an. „Die Geschwindigkeit war fürs erste Mal gut gewählt und niemand von uns hatte Probleme. Und es gibt morgen die Möglichkeit, dass wir noch weiter fliegen“, zeigte sich Lundby mit dem Ansatz der Jury zufrieden.

Den zweiten Flug über 200 Meter in chronologischer Reihenfolge absolvierte indes Yuki Ito zum Start des dritten Durchgangs. Auch die Japanerin genoss das Erlebnis sichtlich, nachdem sie vor 48 Stunden zuvor wegen ihrer Disqualifikation in Lillehammer noch nicht mal wusste, ob sie überhaupt starten darf. Weitere offizielle Landesrekorde gab es zudem für Österreich und Finnland durch Eva Pinkelnig und Jenny Rautionaho mit 172 respektive 147 Meter. Analog zum Skifliegen bei den Herren können diese bei den Frauen auch im Training und der Probe aufgestellt werden, mehr dazu in unserem Artikel: Das müssen Sie zum ersten Skifliegen der Frauen in Vikersund wissen.

» Event-Übersicht mit Zeitplan & Infos: Skifliegen (Damen) in Vikersund 2023

Am morgigen Sonntag steht in Vikersund dann eine historische Premiere an: Nach dem Probedurchgang um 9:15 Uhr bestreiten die Skispringerinnen um 10 Uhr den ersten Skiflug-Wettkampf in der Geschichte (alles live bei skispringen.com)

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Über Luis Holuch 538 Artikel
Seit 2010 als Journalist tätig und hat 2017 sein erstes Buch veröffentlicht. Wie es die Leidenschaft wollte, ging es darin um das Damen-Skispringen. Genau dafür ist er bei skispringen.com auch primär zuständig. Kommentierte den offiziellen Live-Stream der Junioren-WM 2020, sowie die FIS-Classics-Serie und die Continentalcup-Finals der Nordischen Kombination.

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