So tickt der Vierschanzentournee-Sieger

Dawid Kubacki: Der Mann, der aus dem Schatten springt

Foto: GEPA

Dawid Kubacki heißt der Sieger der 68. Vierschanzentournee 2019/2020. Seine in Innsbruck errungene Gesamtführung lässt er sich nicht mehr nehmen, er gewinnt sogar das Finale in Bischofshofen. skispringen.com stellt den Tournee-Sieger vor.

Dawid Kubacki stand auf der obersten Stufe des Podestes, lauschte den Klängen der polnischen Nationalhymne und genoss einfach den Moment. Es waren noch keine 30 Minuten her, da ersprang er einen seiner größten Karriereerfolge, wenn nicht sogar den Größten. Die Paul-Außerleitner-Schanze und Kubacki, das passt einfach. Im vergangenen Jahr wurde er hier Zweiter, sprang Schanzenrekord. Und ein Jahr später krönt er sich zum Tournee-Sieger. Doch wie tickt der Tourneesieger und was macht ihn so gut?

Als die Vierschanzentournee am 29. Dezember in Oberstdorf in ihre 68. Ausgabe gestartet ist, standen einige Namen auf dem Favoritenzettel. Darunter auch ein polnischer, nicht aber der von Dawid Kubacki. Sondern der von Kamil Stoch, einem der größten Idole in einem Land, in dem Skispringen einer Religion gleichkommt. Der Name jenes Mannes, in dessen Schatten Kubacki lange sprang, sich sogar ausruhte, wie manche Spötter meinten. Jenes Mannes, den er bei dieser Tournee ebenso wie den Rest der Weltelite hinter sich gelassen hat.

Dawid Kubacki: Ein Mann mit Nerven aus Stahl

Doch in Oberstdorf stand der 29-Jährige aus Nowy Targ plötzlich auf der Matte. Niemand hatte ihn auf dem Zettel, nachdem sein Triumph im Sommer-Grand-Prix schon wieder in Vergessenheit geraten war. Doch, dass sein dritter Platz am Schattenberg kein Zufall war, stellte er mit einem erneuten dritten Platz im Neujahrsspringen unter Beweis. Wie schon in Oberstdorf waren die Blicke aber auf andere gerichtet: Den Zweikampf zwischen Ryoyu Kobayashi und Karl Geiger – oder eben plötzlich auf Marius Lindvik, der sensationell sein erstes Weltcupspringen gewonnen hat.

Wie so oft sollte dann der launische Bergisel der Wendepunkt dieses Großereignisses werden, auf dem zwischen den Jahren der sportliche Fokus der Öffentlichkeit liegt. Kobayashi stürzte ab, Geiger musste unterwegs seinen Notfallschirm flicken und nur Lindvik überstand das Chaos-Springen unbeschadet, ging wieder als Sieger hervor. Doch der eigentliche Gewinner war Kubacki: Plötzlich lag er in der Tournee-Wertung vorne, war der Gejagte. Zum ersten Mal in seinem Skispringerleben schlüpfte er in diese Rolle – und füllte sie in ungeahnter Weise mustergültig aus.

» Vierschanzentournee-Gesamtwertung: Endstand der 68. Ausgabe

„Ich war ein sehr harter Tag, es war ein wahnsinnig starker Wettkampf insgesamt. Ich habe sehr arbeiten müssen, um mich auf meine Sache auf der Schanze zu konzentrieren. Ich bin sehr glücklich, dass es so aufgegangen ist. Ich bin meinen Weg gegangen und habe nicht darauf geschaut, wie die Lage ist. Ich bin sehr glücklich, dass ich klar im Kopf geblieben bin“, gab König Kubacki nach zwei unfassbar starken Sprüngen auf 143 und 140,5 Meter unter größtmöglichem Druck zu Protokoll. Sätze, wie sie auch von einem Kamil Stoch ins Mikrofon hätten gesprochen werden können.

Horngacher formte Polen zum Champion – und damit auch Kubacki

Skispringer sind zwar Einzelsportler, doch am Erfolg wird im Team geschraubt. Und das polnische Team war in der vergangenen Dekade eines der stärksten und konstantesten. Zunächst dank Lukasz Kruczek, vor allem dann aber dank Stefan Horngacher, der das Team, aber auch die Einzelspringer zu den größten Erfolgen ihrer Karriere führte. Unter seiner Regentschaft gewann Polen erstmals ein Teamspringen im Weltcup und auch die Team-Entscheidung bei der Nordischen Ski-WM, sowie Bronze bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang. Immer mit dabei: Dawid Kubacki.

Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass ausgerechnet Horngacher Kubacki zum größten Konkurrenten von Karl Geiger und damit letztlich auch zum Champion geformt hat. Denn dank der Handgriffe und Anweisungen des Österreichers geriet die Karriere des leidenschaftlichen Fliegers überhaupt erst so richtig ins Rollen. Zweifellos war er schon immer ein großes Talent, so hört man aus Polen.

Dass er absprungstark war und über gute Hebel verfügt, sah man schon immer. Doch der Blondschopf hatte immer den einen einprägsamen Fehler in seinem Sprungsystem: Er sprang insgesamt schlicht zu aufrecht. Das verschlechtert die Aerodynamik, mindert die Sprunggeschwindigkeit und kostet letztendlich Weite. So kann man nicht gewinnen. Erkannt haben das viele, doch erst Horngacher gelang es, das abzustellen, und das in zwei Schritten.

Zunächst griff der Coach in den Absprungvorgang ein. Nicht nach oben, sondern nach vorne sollte der Spätstarter abspringen. Dieser Prozess dauerte nahezu ein Jahr, ging dann aber im Sommer 2017 erstmals so richtig auf: Kubacki gewann ganze vier Springen im Sommer-Grand-Prix und damit auch die Gesamtwertung. Im zweiten Schritt arbeiteten Trainer und Schützling dann an der Flugphase, insbesondere an der Phase kurz vor dem Landeanflug. Früher plumpste Kubacki aus dem dritten Stock Mitte des Hanges herunter. Heute ist er Schanzenrekordhalter in Bischofshofen und Zakopane und das Herunterplumpsen ein Relikt alter Tage, wenn er mal nicht so gut in Form ist.

Kubacki, der leidenschaftliche Flieger

Der Vierschanzentourneesieger 2019/2020 erfüllt das Klischee des Sportlers, der im besten Sportleralter seine größten Erfolge einfährt: Mit 26 wird er Team-Weltmeister, mit 27 gewinnt er in Predazzo sein erstes Weltcupspringen und wird knappe zwei Monate später in einem turbulenten Springen Einzel-Weltmeister. Mit 29 gewinnt er am selben Tag die Vierschanzentournee und sein zweites Weltcupspringen. Ein halbes Jahr zuvor hatte er seine langjährige Partnerin Marta Majcher geheiratet. Trauzeuge am 1. Mai 2019 war übrigens ein gewisser Kamil Stoch.

Doch eines hat sich im Leben des Dawid Kubacki seit jeher nicht verändert: Seine Passion für das Fliegen. „Als ich ein kleiner Junge war, habe ich ganz viel mit Flugzeugen und Hubschraubern gespielt. Eigentlich mit allem, was man fernsteuern konnte. Das mache ich noch bis heute, das Fliegen ist meine große Leidenschaft“, erzählte er in Innsbruck. Ist er mal nicht auf der Schanze, ist er in seinem Keller mit seinen Modellfliegern beschäftigt – oder fliegt in seinem Segelflugzeug, denn natürlich hat er eine Lizenz gemacht.

» Weltcup-Kalender 2019/2020: Alle Termine im Überblick

In einem Aspekt ist der Pole jedoch kein typischer polnischer Skispringer: Sein erstes Idol war nicht etwa Adam Malysz, mit dem er heute tagtäglich zu tun hat. Sondern Kazuyoshi Funaki. Der Japaner beeindruckte Kubacki mit seinem legendären Kamikaze-Stil, sodass er sich im Alter von sechs Jahren schließlich selbst das erste Mal von einer Schanze wagte.

Dass er selbst, der vermutlich zu Recht nicht zu den elegantesten seines Metiers gehört, einmal in ähnlichen Erfolgsphären unterwegs sein würde, hätte er damals wohl nicht einmal zu träumen gewagt.

Auch interessant: Während Dawid Kubacki über den größten Triumph seiner Karriere jubelt, muss sich Karl Geiger im Kampf um den zweiten Gesamt-Platz bei der Vierschanzentournee ganz knapp seinem norwegischen Konkurrenten Lindvik geschlagen geben. Das Fazit des Oberstdorfers fällt dennoch positiv aus.

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Über Luis Holuch 519 Artikel
Seit 2010 als Journalist tätig und hat 2017 sein erstes Buch veröffentlicht. Wie es die Leidenschaft wollte, ging es darin um das Damen-Skispringen. Genau dafür ist er bei skispringen.com auch primär zuständig. Kommentierte den offiziellen Live-Stream der Junioren-WM 2020, sowie die FIS-Classics-Serie und die Continentalcup-Finals der Nordischen Kombination.

16 Kommentare

  1. Kubacki ist dann der Nachfolger von Stoch. Hoffentlich kann er seine Form behalten und stärken. Wenn Stoch noch seine Form findet, sind die beiden unschlagbar. Die würden alles abräumen nur Kobayashi könnte da mitspringen.

  2. Freut mich sehr für Kubacki.

    “ Wenn 2 sich streiten, freut sich der dritte “ Mit Dawid haben nur die wenigsten gerechnet, aber er hat eben die meisten Punkte gesammelt.

  3. Herzlichen Glückwunsch an Kubacki. Hatte ich nicht gedacht das er diese Konstanz schafft. Aber hat er spitze gemacht. Geiger hat auch eine super Tournee gesprungen, mit etwas mehr Glück wäre auch der zweite Platz drin gewesen. Die anderen deutschen geben mir etwas Rätsel auf. Keiner bekommt da Konstanz rein. Immer sind schlechte Sprünge dabei…. Heute waren alle außer Geiger im zweiten Durchgang schlecht und haben sich um den Lohn ihrer Arbeit gebracht

  4. Einfach konstant gesprungen und beim letzten Springen gewonnen.
    Und zurecht gewonnen!
    Geiger hatte eben nur 7 gute Sprünge. Kubacki eben 8. 😉

    Aus deutscher Sicht:
    Es wäre schön gewesen, wenn Geiger in Inssbruck auch unter gleichen Bedingungen gesprungen wäre (gleiche Wind und Luke(!)), dann hätte es ganz knapp werden können.

    Trotzdem war es auch ganz schön zu sehen, dass Geiger seinen Frust in 2 Tagen überwinden konnte. Nachdem Springen in Inssbruck hatte ich die befürchtung, dass das ihn runter ziehen könnte.

    • @Richard: Es ist alles richtig, was Sie geschrieben haben. Es wäre sicher noch spannender gewesen, wenn die Verhältnisse in Innsbruck so wie heute gewesen wären. Die Gesamtwertung hätte Geiger aber wohl auch dann nicht gewonnen, er wäre wahrscheinlich Zweiter geworden. Kubacki hat sich während der Tournee kontinuierlich gesteigert und auf der Schanze in Bischofshofen ist er sowieso kaum zu schlagen. Wenn es in den ganz hohen Weitenbereich geht, dann holt Kubacki gegenüber Geiger immer noch einen gewissen Vorsprung heraus. Geiger hätte die Tournee nur dann gewinnen können, wenn er sich in Innsbruck einen beruhigenden Vorsprung erarbeitet hätte. Dass er heute trotz der Enttäuschung in Innsbruck noch einmal sehr gute Sprünge gezeigt hat, das freut mich auch. Auch diese psychische Leistung verdient Respekt.

  5. Schöner Artikel, Danke dafür! Kubacki ist eher ein sehr ruhiger Geselle, was ihn aber auch zu einem schönen Sieger macht. Man muss nicht immer die Medienbombe sein um erfolgreich zu sein, hier hat sich jemand mit kontinuierlicher und „stiller“ Arbeit nach vorne gearbeitet. Gratulation!

  6. Du bist der beste man überragend deine Sprünge heute und in der ganzen tournee auch wenn Geiger in Innsbruck die guten Verhältnisse hätte wie du wäre er trotzdem nicht vor dir.du bist einfach der wahre Gewinner

    • @Tomekk: Es ist genau so, wie Sie schreiben. Kubacki hat den Tourneesieg absolut verdient. Kubacki war heute noch einmal 9,9 Punkte besser als Geiger. Vor dem Spingen in Innsbruck hatte Geiger nur 2,2 Punkte Vorsprung auf Kubacki. Selbst wenn also Kubacki und Geiger in Innsbruck dieselbe Punktzahl erreicht hätten, dann hätte trotzdem Kubacki die Tourneegesamtwertung gewonnen. Wobei Kubacki in Innsbruck auch besser als Geiger gesprungen ist, nur der Punkteabstand (15,5 Punkte) wäre bei regulären Bedingungen mit ziemlicher Sicherheit geringer gewesen. Auf jeden Fall braucht man jetzt nicht mehr über die Verhältnisse in Innsbruck zu diskutieren, auch wenn sie für Aschenwald, Kraft, Kobayashi, Geiger u.a. sehr ärgerlich waren. Über den Gesamtsieg haben sie ganz sicher nicht entschieden, den hat sich Kubacki heute wirklich eindrucksvoll gesichert und alle Zweifel ausgeräumt. Am meisten beeindruckt hat mich die Nervenstärke von Kubacki, denn Lindvik und Geiger haben ja durchaus stark vorgelegt. Diese Leistungen dann noch einmal ganz klar zu übertreffen, das verdient höchsten Respekt. Gratulation an den würdigen Gesamtsieger Kubacki!

      • Da wird der Dawid sich sicher noch einmal ganz extra freuen, dass auch unsere ‚hätte‘-und-‚würde‘-Punktefieselfraktion ihm den Gesamtsieg nicht mehr schlecht reden kann.

    • Das stimmt jetzt auch nicht ganz.
      Es hätte zwar knapp werden können, aber denke Kubacki hätte es dennoch geschafft!

      Zwar ist er im ersten Durchgang unter viel schlechterne Bedingungen gesprungen.
      Aber im zweiten Durchgang hatte er dafür viel bessere Bedingungen.

      Glaube kaum, dass Geiger in Inssbruck 23,2 Punkte mehr gemacht hätte als Kubacki bei gleichen(!) Bedingungen.

      • War falsch Formuliert! xD
        Natürlich hätte Geiger nur 7 mehr als Kubacki in Inssburck machen müssen.

        Insgesamt hätte er 23,3 Punkte mehr holen müssen in Inssbruck.

        • @Richard: Um es noch einfacher auszudrücken: Bei regulären Bedingungen hätte Geiger in Innsbruck vielleicht 10 Punkte mehr erreicht, maximal 15 Punkte. Selbst wenn das aber so gewesen wäre, dann hätte Kubacki jetzt nach dem heutigen Springen aber insgesamt am Ende immer noch einen klaren Vorsprung von 13,2 bzw. 8,2 Punkten. Zusammenfassung: In Oberstdorf und in Garmisch ist Geiger minimal besser als Kubacki gesprungen, die beiden Sportler waren aber nahezu gleich stark. In Innsbruck hatten beide je einen sehr guten und einen durchschnittlichen Sprung, besser war aber Kubacki (auch wenn man die Windverhältnisse nicht berücksichtigt). Heute war Geiger sehr gut, Kubacki war aber überragend und klarer Sieger. Deshalb hat er meiner Meinung nach auch die Gesamtwertung verdient gewonnen.

      • @Richard: Was stimmt nicht? Geiger hätte in Innsbruck 7,7 Punkte mehr als Kubacki erreichen müssen, dann wären die beiden Sportler jetzt genau punktgleich. Er hätte Kubacki nicht um 23,2 Punkte übertreffen müssen. Vor Innsbruck hatte Geiger 2,2 Punkte Vorsprung auf Kubacki. Hätte er in Innsbruck 7,7 Punkte mehr als Kubacki erreicht, dann wäre er mit einem Vorsprung von genau 9,9 Punkten nach Bischofshofen gefahren. Und heute war Kubacki 9,9 Punkte besser als Geiger. Wobei Geiger in Innsbruck schlechter als Kubacki gesprungen ist, meiner Meinung nach aber nicht um 15,5 Punkte schlechter sondern bei regulären Bedingungen um vielleicht 5-6 Punkte schlechter. Abgesehen davon hatte Geiger die schlechten Bedingungen im ersten Durchgang, Kubacki und Lindvik hatten da sehr gute Verhältnisse. Im zweiten Durchgang war es dann umgekehrt, da hatte Geiger minimalen Aufwind, Kubacki und Lindvik hatten Rückenwind. Nur hatten die beiden im zweiten Durchgang eben auch zwei Luken mehr Anlauf. Das ist aber jetzt auch ziemlich egal!

        • Hab mich wohl verlesen oder auf falschen Kommentar geantwortet..
          Und dann auch noch Mist geschrieben.
          Ist mir direkt nach absenden aufgefallen..
          Leider kann man hier im Nachhinein Kommentare nicht ändern oder löschen.

          Kurzfassung: Stimme dir voll und ganz zu.

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